Heute sehen wir, dass man Leser verwirrt, wenn man nicht exakt genug formuliert.
Der Anfang der Geschichte: Michael Wiegald ist Buchnerd mit Leib und Seele … ach nee, ohne Leib, denn er ist schon länger tot. Zum Glück fristet er sein Geisterdasein in einer Bibliothek. Doch sein geordnetes Leben kommt komplett durcheinander, als er sich verliebt.
Erhältlich bei Amazon.
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Analyse: Ich hatte mich von dem wirklich gelungenen Titelbild und der vielversprechenden Idee des Klappentextes verleiten lassen, dieses Buch zu kaufen und muss sagen, ich war ziemlich enttäuscht. Das ging schon damit los, dass ich gleich im ersten Satz über eine Wortwiederholung stieß. Der Titel des Kapitels ist „Der Besuch der holden Dame“ und der erste Satz „Zum ersten Mal erblickt ich ihre holde Gestalt…“
Eine solche Wiederholung ist sicherlich unter normalen Umständen kein Kapitalverbrechen, aber auf der ersten Seite hat es mich dennoch stolpern lassen. Zum einen lag das daran, dass das Wort „hold“ nicht mehr besonders gebräuchlich ist (was aber zum Erzähler passt, denn er ist schon über 50 Jahre tot), und zum anderen, weil es auf meinem eReader direkt untereinander stand. Dadurch wurde meine Aufmerksamkeit aus dem Text auf das Wort gelenkt, und ich war raus.
Analyse: Nachdem der Geist seine Angebetete entdeckt hatte, kommt eine Mini-Rückblende (etwas, das ich hasse, denn es gibt an dieser Stelle keinen Grund, eine halbe Minute zurückzublenden. Das Geschehen hätte sehr gut auch linear erzählt werden können), in der der Erzähler (der Geist), beschreibt, wie er aus dem Fenster sieht. Dann erklärt er, dass es sein Lieblingsplatz IN der Bibliothek ist, um dann damit fortzufahren, dass eine Dame ihren Dackel an einen Baum pinkeln lässt. Selbstverständlich fragte ich mich sofort, was ein Baum und ein pinkelnder Dackel samt Frauchen in der Bibliothek zu suchen hatten. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass der Erzähler zum Blick aus dem Fenster zurückgekehrt war. Lesefluss gerissen.
Analyse: Nicht einmal zwei Absätze tiefer der nächste Stolperstein. Die Geschichte ist in der Ich-Perspektive geschrieben, und dann kommt das: …und mein Gesichtsausdruck ähnelte ganz automatisch dem eines Canabis widerkäuenden Lamas…
Ja, wie kann der sich bitte selbst sehen? Ohne Spiegel? Als Geist? Hier hätte der Satz so formuliert werden müssen, dass er sich entweder in besagtem Fenster spiegelt (was für Geister eigentlich eher unmöglich sein sollte, aber wenigstens das Problem lösen würde), oder dass er vermutet, dass er so aussieht.
Abschließend ist zu sagen:
Mittlerweile war ich ehrlich froh, das Buch aus der Hand legen zu dürfen. Nicht, dass es schlecht geschrieben wäre, nein. Die Idee ist interessant und, soweit ich gelesen habe, souverän umgesetzt. Doch hat mich der gewollt altertümliche Stil des Erzählers bereits nach diesen wenigen Seiten so genervt, dass ich mich gefragt hatte, ob ich es überhaupt 40 Minuten mit ihm aushalten könne. Da das aber kein Stolperstein sondern Geschmacksache ist, habe ich bis zum dritten Stolperer weitergemacht. Wer weniger Probleme mit dem Stil der Geschichte hat als ich, wird hier sicher mit einer originellen Idee beglückt.