Heute sehen wir, dass ich bei einer packenden Geschichte selbst Rechtschreibfehler ignorieren kann.
Der Anfang der Geschichte: Boris ist seit 44 Jahren loyaler Soldat im Dienste des russischen Zaren, hat für ihn sein Leben riskiert und seine Gesundheit als „freiwillig“ Zwangsrekrutierter ruiniert. Jetzt ist sein rechter Arm aus Metall und die Hydraulik friert ein, wenn es kalt wird – und in Russland wird es kalt. Als er auf der Flucht vor gegnerischen Truppen einfriert, versucht Waisenkind Olga, ihn zu bestehlen. Ihr Motto: Tod dem Zaren.
Erhältlich bei Amazon.
Analyse: Der erste Satz zeigt mir sofort, dass ich in guten Händen bin. Er lautet: Boris Sergejewitch hatte den Fehler begangen, nicht beizeiten auf dem Schlachtfeld zu bleiben, wie es sich für einen anständigen Soldaten gehörte.
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Analyse: Ich habe mir den gedruckten Sammelband dieses Buches auf der Leipziger Buchmesse 2015 gekauft und ihn als ersten Kandidaten für dieses Experiment zur Seite gelegt. Da das Buch ein Quidie-Siegel für qualitativ hochwertige Indie-Veröffentlichungen trägt, sind meine Erwartungen besonders hoch gewesen. Deshalb hat es mich geärgert, dass ich schon auf der ersten Seite über „Boris‘ unfreiwilliger Armee-Eintritt“ gestolpert bin.
Nur im Englischen wird beim besitzanzeigenden Genitiv ein Apostroph gesetzt. Dort heißt es „Kate’s dog, Boris‘ arm (oder Boris’s arm, geht beides) oder Mom’s house. Im Deutschen bleibt es bei Katies Hund, Boris Arm und Mamas Haus.
Da ich die Autorin auf der Messe kennengelernt hatte, schrieb ich ihr. Dieser Fehler ist also jetzt bereits behoben. Weil dies das erste Buch in diesem Experiment ist, und weil die Geschichte spannender nicht sein könnte (ich habe mittlerweile das ganze Buch durch), fasse ich alle Apostrophs zu einem einzigen Stolperstein zusammen.
Nun bin ich eines Besseren belehrt worden, also kennzeichne ich diesen Stolperstein als ungültig.
Analyse: Als ich die Autorin kontaktierte, erfuhr ich, dass sie Legasthenikerin ist. Ich ziehe meinen Hut vor Selma Spieweg, die trotz Rechtschreibschwäche Bücher schreibt, die es nahezu unmöglich machen, sie zwischenzeitlich beiseite zu legen. Wir sehen, dass es am Ende immer auf die Spannung ankommt. Alles andere wird nebensächlich, wenn die Spannung stimmt.
Analyse: Der Einstieg der Geschichte ist spannend und rasant. Boris flieht mit anderen Soldaten vor einer feindlichen Armee und gerät in Schwierigkeiten, weil ihn seine Hydraulik wegen der Kälte immer schwerfälliger werden lässt. Bereits auf Seite zwei kommt ein Infodump getarnt als Mini-Rückblende, die dem/r Leser/in erklärt, warum Boris eine Hydraulik besitzt. Rums, da war der Spannungsbogen erst einmal gerissen. Zum Glück geht es direkt im Anschluss fließend weiter, und es tauchen in der gesamten Geschichte keine weiteren abrupten Unterbrechungen des Spannungsbogens auf. Eine ziemliche Leistung für ein fast 500 Seiten langes Buch.
Liebe Katharina,
ich finde Dein – aus den USA importiertes – Konzept genial!! Bin wirklich gespannt auf die Bücher, die Du untersuchst. Jetzt also nach dem Q noch ein SoS-Signet auf dem Cover 😉
Liebe Grüße und viel Erfolg,
Kari
Danke. 😉
Liebe Katharina,
die Stolperstein-Idee ist klasse!
Allerdings ist dein erster genannter Stolperstein keiner, sondern die völlig korrekte Schreibweise.
Zitat: „Im Deutschen bleibt es bei Katies Hund, Boris Arm und Mamas Haus.“
Katies Hund und Mamas Haus, ja, aber bei Boris‘ Arm muss ein Apostroph gesetzt werden, weil der Name Boris auf s endet. Deswegen ist “Boris’ unfreiwilliger Armee-Eintritt” richtig.
Bei Namen, die auf s enden, ersetzt der Apostroph das Genitiv-s. Siehe auch: http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-abc-der-gebrauch-des-apostrophs-im-ueberblick-a-283781.html
LG
Simone
OK, ich lasse mich gerne belehren. Ich werde diesen Stolperstein also sofort als ungültig kennzeichnen. 😉