Heute sehen wir, dass man auch auf hohem Niveau noch meckern kann. Allerdings muss ich sagen, dass ich, wäre ich ein Lektor, bei diesem Buch wohl mehr angefordert hätte als die 40 minütige Leseprobe.
Der Anfang der Geschichte: Azur ist eine Diebin, aber keine normale. Sie kann anderen Menschen die Träume stehlen, was bei den Opfern zu Schlafmangelerscheinungen und Gereiztheit führt (etwas, dass ihr Chef für sich auszunutzen weiß). Die gestohlenen Träume werden als Traumperlen an Süchtige verkauft. Obwohl Azur die beste Diebin ist, hasst sie ihren Job. Doch sie hat keine Wahl. Richtig groß werden ihre Probleme aber erst, als sie sich in Cedric verliebt, einen Beschützer, dessen Job es ist, Traumdiebstähle zu verhindern.
Erhältlich bei Amazon.
„Kurz atme ich durch, springe von der Dachkante, auf der ich bereits eine geraume Weile saß, und greife auf der Hälfte meines Falls nach der Querstange einer Straßenlampe.“
Analyse: Die Geschichte ist im Präsens geschrieben, einer Zeitform, die ich nicht mag, auch wenn sie in der Jugendliteratur immer beliebter wird. Doch der Anfang ist spannend genug, so dass ich es kaum merke. Umso mehr stolpere ich natürlich über einen Satz wie den angegebenen. An dieser Stelle muss es heißen „gesessen habe“, ja, auch wenn dadurch eines der so unbeliebten Hilfsverben benutzt werden muss. Grammatik geht in den meisten Fällen vor Stil (Ausnahmen bestätigen nur die Regel und sollten nur von Könnern angewendet werden).
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Analyse: Das Buch wird aus zwei verschiedenen Perspektiven (POV) erzählt, der von Jess (Azur) und der von Cedric. Beide POVs sind in der Ich-Form geschrieben. Leider unterschieden sich die beiden „Stimmen“ kaum, so dass ich trotz Angabe des Namens des neuen Erzählers zuerst dachte, ich wäre noch immer in Azurs Kopf. Zwei Ich-Perspektiven sprachlich so voneinander abzusetzen, dass sie unverwechselbar klingen, ist schwer. Wenn man diese Technik (noch) nicht beherrscht, sollte man eine der Perspektiven (in diesem Fall würde ich Cedrics empfehlen) in der 3. Person (Er-Form) schreiben.
Analyse: Als Cedric Jess das erste Mal als Mensch, nicht als Dieb, begegnet, verliebt er sich sofort. Er betrachtet sie dann sehr genau, als sie davongeht. Dabei fällt ihm auf, wie geschmeidig sie sich bewegt.
Mich hat dabei ehrlich gestört, dass er nicht einmal ansatzweise bemerkt hat, dass er diese geschmeidigen Bewegungen kennt. Er hat sie am Abend vorher kennengelernt, als er Azur an einem Diebstahl hindern wollte. Da er als guter Beobachter eingeführt worden ist, hat mich das sehr gestört. Natürlich muss er Jess nicht sofort mit Azur gleichsetzen, doch ein komische Gefühl der Vertrautheit hätte der Geschichte einen zusätzlichen, und an dieser Stelle dringend benötigten, Konflikt geschenkt.
Analyse: Das Titelbild ist wunderschön und passt hervorragend zu Teil 2 der Trilogie (ebenfalls in Blau).