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Vor dem Erben kommt das Sterben – Ulrike Blatter

Published / by Katharina Gerlach / 1 Kommentar zu Vor dem Erben kommt das Sterben – Ulrike Blatter
Achtung: Dies ist ein Härtetest, der nicht mit einer Rezension verwechselt werden darf. Für eine Rezension lese ich den ganzen Text, bevor ich ihn beurteile. Der SoS-Test entspricht im Prinzip dem, was der Lektor eines Verlages tut, dessen Hauptaufgabe das Aussortieren von Manuskripten ist.

Vor dem Erben kommt das Sterben - Ulrike Blatter | Spannung ohne Stolpersteine, die als Lara geboren wurde,Heute sehen wir, dass ein wiederkehrender Fehler den Lesegenuss stören kann, auch wenn er mit dem Inhalt des Textes gar nichts zu tun hat.

Der Anfang der Geschichte: Blanche kehrt nach Köln zurück, um ein neues Leben anzufangen. Der Mutter gefällt es nicht wirklich, hat sie mit ihrer Tochter doch bisher wenig Positives erlebt. Trotzdem stellt sie ihr ihre ursprüngliche Wohnung im Severinsviertel zur Verfügung. Und die Bauarbeiten am neuen U-Bahn Tunnel kommen unaufhörlich näher.

Erhältlich bei Amazon.

Stolperstein #1: Formatierungsfehler

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Analyse: Im Roman sind Szenenwechsel oder Zeitsprünge durch Absätze getrennt, die drei Sterne enthalten. Das ist richtig und erleichtert das Lesen. Daher war ich leicht befremdet, als ein leerer Absatz ohne Sterne auftauchte. Außerdem ging es anschließend ohne oben genannte Gründe weiter (ich habe später im Quellcode nachgesehen, und an diesen Stellen ist ein geschütztes Leerzeichen [ ] eingebaut, das dort nicht hingehört). Ich ließ mich nicht stören. Aber als dann immer mehr dieser leeren Absätze auftauchten, lenkte es mich doch ab. Bald hielt ich intensiv nach weiteren Formatierungsfehlern Ausschau und musste mich zwingen, mich wieder auf den eigentlichen Text zu konzentrieren. Daher ein Stolperstein.

Stolperstein #2: fehlende Absätze

Zitat: Sie sagte es in einem Tonfall, als habe sie ein festes Ziel. Mutter blieb sitzen: „Wo willst du denn hin?“ „Ich komme schon klar.“ „Nun hau doch nicht gleich wieder ab. Du bist doch gerade erst gekommen.“ Lisbeth, stand auf und …

Analyse: Diese Textstelle steht genau so formatiert im Buch, dabei ist es für das Leseverständnis unumgänglich, vor jedem neuen Sprecher einen Absatz einzufügen. Nur wenn nach dem „sagte er“ (oder was immer als Ersatz eingefügt ist) die gleiche Person weiterspricht, kommt kein Absatz.

Es hieße also:

„Ich gehe jetzt in die Schule.“ Tobi stopfte sein Brot in den Ranzen. „Ich warte nicht länger auf dich.“

oder

„Ich gehe jetzt in die Schule.“ Tobi stopfte sein Brot in den Ranzen.
„Wartest du auf mich?“ Susie kam die Treppe herab.

aber niemals

„Ich gehe jetzt in die Schule.“ Tobi stapfte zur Tür. „Wartest du auf mich?“ Susie kam die Treppe herab.

Wie wichtig Absätze sind zeigt diese Version:

„Ich gehe jetzt in die Schule.“ Tobi stopfte sein Brot in den Ranzen. „Wartest du auf mich?“
Susie kam die Treppe herab.

Hier geht der/die LeserIn automatisch davon aus, dass Tobi weiterredet und wundert sich vielleicht, dass dann Susie hinter ihm herläuft. Sollte sie nicht auf ihn warten?

Diese Art der Absatz-Verteilung ist mir mehrfach untergekommen. Nicht so oft wie der Formatierungsfehler, aber oft genug, dass ich einen Stolperstein vergeben habe.

Kudo #1: interessanter Start

Analyse: Ich habe mich von der ersten Zeile an gut unterhalten gefühlt. Das ist vielversprechend. Besonders Cleo, die ewige Katze, hat mich erwischt, und dass, obwohl ich eigentlich Hunde bevorzuge.

Abschließende Bemerkung: Als ich dann weiterlas, tauchten einige Zeilen des Refrains eines sehr bekannten Lieds auf, dessen Entstehung aber noch keine 75 Jahre zurück liegt. Das kann zu großen Problemen führen, da Liedtexte sehr kurz und ihre Schöpfer recht prozessierfreudig sind. Will man also einen Rechtsstreit wegen Verstößen gegen das Copyright-Gesetz vermeiden, sollte man darauf verzichten, Liedtexte zu zitieren.

Schelte und was ich daraus lerne!

Published / by Katharina Gerlach / 8 Kommentare zu Schelte und was ich daraus lerne!

Ich habe Schelte bezogen, und das durchaus zurecht, daher unterbreche ich das reguläre Programm für ein paar dingend benötigte Erklärungen und Aussagen.

Zuerst einmal eine Zusammenfassung der Kritik:
Ramona von Lesekanone.de hat korrekterweise angemerkt, dass man über die Qualität eines Buches mit dem Konzept des SoS-Trainings keine Aussage machen kann. Mal ganz abgesehen davon sind die Kriterien für SoS sowieso extrem subjektiv (was ich bereits auf der Startseite anmerke). Jede/r LeserIn hat eigene Kriterien für Dinge, über die man stolpern kann. Meine sind mit Sicherheit nicht allgemeingültig.
Außerdem wies Ramona darauf hin, dass hier in Deutschland schlechte Rezensionen sofort zu weniger Verkäufen führen. Das war mir so nicht bewusst, da ich diesen Effekt aus den USA, wo ich bisher meine Bücher verkauft habe, nicht kenne. Dort gehen die Leser bei Rezensionen davon aus, dass sie gekauft oder ausschließlich von Freunden und Familie sind, wenn es nicht wenigstens ein paar schlechte (3 bis 1 Stern) zwischen den ganzen 4 und 5 Sterne Rezis gibt.

Meine Gedanken dazu:
Die Intention dieses Blogs ist es nicht, Indie AutorInnen und deren Bücher schlecht zu machen. Im Gegenteil. AutorInnen stecken sehr viel Herzblut in ihre Arbeit, und sie sollen daher auf diesem Blog Gelegenheit bekommen, ihre Bücher vorzustellen. Außerdem weise ich hiermit darauf hin, dass ich auch Bücher für das SoS-Training benutze, die ich mir selbst gekauft habe. Das ist z.T. notwendig, da ich nicht immer genügend Bewerbungen erhalte. Meine SoS-Beiträge sollen dazu anregen, selbst mal in die Texte zu gucken, mir zu widersprechen und die eigenen Lesegewohnheiten zu hinterfragen.
Tatsache ist, dass die allermeisten LeserInnen bereits nach wenigen Seiten wissen, ob ihnen ein Buch gefallen wird oder nicht. Ich wüsste gerne, welche Kritereien zu diesen Entscheidungen führen. Meine Kriterien stelle ich auf diesem Blog dar. Bücher, die mir trotz Stolperern so gut gefallen, dass ich sie zuende lese, rezensiere ich gesondert auf Amazon oder anderen Plattformen.

Änderungen:
Damit nun nicht der Eindruck entsteht, ich würde meine Meinung über die aller anderen LeserInnen stellen, noch dazu nach einer Lesezeit von maximal 40 Minuten, habe ich für diesen Blog folgende Änderungen beschlossen:
1. Ich verwende nicht länger Ampelfarben, um die Durchhaltezeiten zu kennzeichnen. Diese Farben sind unbewusst zu sehr mit Qualitätsstufen gleichgesetzt. Von jetzt an werden die Farben pink (nicht geschafft), warmgelb (geschafft mit Stolperern) und blau (ohne Stolperer) verwendet.
2. Jeder SoS-Beitrag bekommt eine Warnung vorangestellt, um deutlich zu machen, dass SoS-Beurteilungen keine reguläre Rezensionen sind und sich Leser unbedingt selbst ein Bild machen sollten.

Um deutlich zu machen, wie extrem und wie subjektiv der SoS-Härtetest ist, stelle ich jetzt ein Buch vor (allerdings ohne Training, denn ich habe das Buch bereits halb durch), das zweifelsfrei von hoher Qualität ist. Der Autor hat bereits mehrfach Preise gewonnen und ist in vielen Verlagen veröffentlicht.

Und damit niemand denkt, ich sei mit meinen eigenen Geschichten gnädiger, jage ich diese Woche mein Buch „Regen für Juma“ durch diesen Härtetest. Das Ergebnis seht ihr nächste Woche.

 


 

Der begrabene Riese - Kazuo Ishiguro | Spannung ohne StolpersteineHeute sehen wir, dass sich ein Autor über alle Regeln hinwegsetzen kann und dabei trotzdem ein atemberaubendes Buch schreibt.

Der Anfang der Geschichte: Ein alter Mann erinnert sich an sein Leben – bruchstückhaft – seltsam distanziert. Er und seine Frau leben am Rande ihrer Gesellschaft in einer unterirrdischen Siedlung, die des Nachts fest verriegelt wird, da es draußen gefährlich ist. Er wundert sich, warum alle ihre Mitbewohner so viel vergessen. Gemeinsam mit seiner Frau beschließt er, auf die Suche nach ihrem Sohn zu gehen, der eigentlich im Nachbardorf leben müsste …

Erhältlich bei Amazon.

Anmerkung: Dieses Buch läuft außerhalb der Konkurenz, da es nicht von einem Indie-Autor stammt, und da ich es bereits halb durch habe, weiß ich nicht mehr, wie viele Stolperer ich in den ersten 40 Minuten hatte. Aber viele waren es nicht (insbesondere keine Rechtschreib- oder Gramatikfehler)!

Stolperstein #1: direkte Ansprache des Lesers

„Nach den kurvenreichen Sträßchen und beschaulichen Wiesen, für die England später berühmt wurde, hättet ihr lange gesucht.“

Analyse: Gleich im ersten Satz spricht der Autor die LeserInnen direkt an. Das ließ mich stocken, war es doch extrem ungewohnt. Jeder halbwegs kompetente Schreibratgeber bringt uns bei, niemals den Leser direkt einzubinden. Und doch … läßt man sich zaghaft auf diese Erzählerstimme ein, entwickelt sie eine ganz eigene Sogwirkung. Ruhig und eindeutig beobachtend ist diese Stimme, also nicht die übliche „aus Sicht der Hauptfigur“-Perspektive, die ich als LeserIn sonst kenne.

Stolperstein #2: Dämmer

Analyse: Das Wort „Dämmer“ ist im Zusammenhang mit Vogelgezwitscher und Morgen klar verständlich, ließ mich aber dennoch innehalten. Es ist ungewöhnlich. Altmodisch. Die meisten AutorInnen hätten wahrscheinlich stattdessen „Dämmerung“ oder „Dämmerlicht“ gewählt, denn es gibt der Erzählstimme einen ungewohnten Klang. Doch auch wenn innehalten im Rahmen dieses Experiments einen Stolperstein erfordert, hat es mich gefreut, mal ein weniger gebräuchliches Wort zu lesen.

Stolperstein #3: Einstieg mit vielen Rückblenden

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Analyse: Die Geschichte beginnt mit einem alten Mann, der sich im Laufe mehrer Tage an einige seltsame Ereignisse erinnert. Verwundert stellt er fest, dass sich keiner seiner Nachbarn an diese Ereignisse erninnert. Selbst seiner Frau fällt es schwer, das Geschehene ins Bewußtsein zurückzurufen.

Da der Alte mehrere Tage braucht, um eine erste Entscheidung zu treffen, und dazwischen zahlreiche mehr oder weniger lange Rückblenden durchlebt und gedanklich analysiert, kam mir der Anfang sehr schleppend vor, bis mir klar wurde, dass dieses Erzähltempo genau zur Geschichte passte. Alte Menschen sind nicht schnell. Menschen, die vieles vergessen, erinnern sich nicht in einem Satz. Die Langsamkeit des Einstiegt war ein vom Autor bewußt gewähltes Stilmittel, um das Leben in seiner Welt lebendig zu machen.

Es erforderte eine Umstellung meinerseits, mich auf dieses Tempo einzulassen (was ich übrigens bisher noch nicht bereut habe).

Kudo #1: alte Hauptpersonen

Analyse: Die Hauptfigur des Romans ist ein alter Mann (ich meine richtig alt, sozusagen am Ende seines Lebens), der mit seiner Frau eine Reise beginnt, über die alle ihre Bekannten die Köpfe schütteln. Ich finde es grandios, einmal eine Geschichte aus einer so ungewöhlichen Sicht geschildert zu bekommen. Es bringt uns das Altern näher und zeigt, dass es nie zu spät ist, etwas Neues zu beginnen.

Sveta und der Junge aus dem Wald – Ramona Mädel & Axel Saalbach

Published / by Katharina Gerlach / 5 Kommentare zu Sveta und der Junge aus dem Wald – Ramona Mädel & Axel Saalbach

Sveta und der Junge aus dem Wald - Ramona Mädel & Axel Saalbach | Spannung ohne StolpersteineHeute sehen wir, dass die Spannung abreißt, wenn sich der/die Autor/in einmischt.

Der Anfang der Geschichte: In einem großrussischen Zarenreich, das auch Deutschland einschließt, flieht Svetas Mutter vor ihrem aggressiven Ehemann, als dieser zwangsversetzt wird. Sveta ist gezwungen, ihm in die Einöde zu folgen und wird dort von ihm und von ihrem Bruder als billige Arbeitssklavin missbraucht.

Erhältlich bei Amazon.

Stolperstein #1: Rückblende in eine Szene, die besser gezeigt worden wäre

Mit dem Jahreswechsel hatte sich alles geändert, von einem Tag auf den anderen war alles auf den Kopf gestellt worden. Beim Großen Moment der Vergabe war dem Hause Chasow vollkommen überraschend die Transporthoheit über die Deutsche Oblast zugesprochen worden, ausgerechnet jetzt, als ihr Vater bei den Anführern des Clans in Ungnade gefallen war.

Analyse: Wer diesen Blog aufmerksam verfolgt hat weiß, dass ich keine Freundin von unnötigen Rückblenden gleich am Anfang einer Geschichte bin. Das allein hätte schon für ein rotes Fähnchen gereicht. Aber hier setzen die Autoren dem ganzen die Krönung auf. Nicht nur folgt die Rückblende bereits nach wenigen Absätzen, sie führt auch in die Szene mit dem auslösenden Ereignis (dem Grund, warum eine Geschichte spielt). Das ist aus der Perspektive einer Geschichtenerzählerin wie mir, ein Verbrechen an der Leserin. Die Szene, in der der Vater in Ungnade fällt, die Ehefrau verliert und seine Sachen packen muss, hätte unendlich spannend werden können, wenn … ja, wenn die Autoren sie nicht in ein paar Sätzen zusammengefasst hätten.

Stolperstein #2: Informationen, die die Figur nicht hat

…, dem kleinen Ort, der allein von der Holzproduktion lebte und der vermutlich gar nicht mehr existieren würde, …

Analyse: Im Absatz vor dieser Textstelle erklären die Autoren detailliert, dass Sveta noch nie außerhalb von Berlin war und ganz besonders nicht in einer so entlegenen Ecke des Zarenreiches wie der, zu der sie jetzt fliegen, und dass sie sich auch nie dafür interessiert hat. Daher hat es mich ziemlich verwundert, dass sie bereits wusste, dass der Ort von der Holzproduktion lebt. Woher weiß sie das? Wäre es nicht möglich, dass die Dorfbewohner Bergbau betreiben? Oder eine ganz spezielle Tierart züchten, die der Zar gerne verspeist oder jagt? Vielleicht leben sie auch vom Handel mit seltenen Pelzen. Sveta kann höchstens spekulieren. Die Aussage war aber als absolute Wahrheit (im Rahmen der Geschichte) formuliert, daher der Stolperstein.

Stolperstein #3: Autorenstimme

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Sergej Maximow hatte knapp siebzehn Jahre zuvor die hohe Gebühr an das Zarenreich entrichtet, da er sich nach Jan einen zweiten Stammhalter erhofft hatte. Dass Sveta ein Mädchen geworden war, schien er ihr seit jeher übel zu nehmen. Die vielen Arbeiten, die sie für ihn erledigen musste, betrachtete er als einen Teil der Entschädigung, die sie für die vielen Rubel aufbringen sollte, die er einst gezahlt hatte, um sie zeugen zu dürfen. Seit ihrer Ankunft war endgültig jede Freude aus Svetas Antlitz gewichen. Tiefe Ringe hatten sich um ihre Augen gegraben, …

Analyse: Das hier ist zweifelsfrei Backstory (also Hintergrundwissen zur Figur). Dummerweise ist es geballt als Infodump eingefügt worden und man hört ganz deutlich den erhobenen Zeigefinder der Autoren: „Und dies, liebe Leser, müsst ihr auch noch wissen!“

Informationen über den Charakter so plump einzufügen hat bei mir gereicht, den Stöpsel zu ziehen. Was wäre es toll gewesen, wenn eben diese Informationen während der Geschichte gezeigt worden wären, und wenn sie der Erzählstimme des Textes treu geblieben wären. Etwas wie: „Pffft. Das kannst du ja eh nicht. Bist ja bloß ein Mädchen.“ aus dem Mund des Bruders und ein: „Eine Haushälterin wär billiger gewesen als die Gebühr für deine Zeugung. Was für eine Verschwendung.“ vom Vater hätten den ganzen Hintergrund beinhaltet, der mir im obigen Absatz so sauer aufgestoßen ist, ohne den Lesefluss zu stören.