Schlagwort: Autorenstimme

Sveta und der Junge aus dem Wald – Ramona Mädel & Axel Saalbach

Published / by Katharina Gerlach / 5 Kommentare zu Sveta und der Junge aus dem Wald – Ramona Mädel & Axel Saalbach

Sveta und der Junge aus dem Wald - Ramona Mädel & Axel Saalbach | Spannung ohne StolpersteineHeute sehen wir, dass die Spannung abreißt, wenn sich der/die Autor/in einmischt.

Der Anfang der Geschichte: In einem großrussischen Zarenreich, das auch Deutschland einschließt, flieht Svetas Mutter vor ihrem aggressiven Ehemann, als dieser zwangsversetzt wird. Sveta ist gezwungen, ihm in die Einöde zu folgen und wird dort von ihm und von ihrem Bruder als billige Arbeitssklavin missbraucht.

Erhältlich bei Amazon.

Stolperstein #1: Rückblende in eine Szene, die besser gezeigt worden wäre

Mit dem Jahreswechsel hatte sich alles geändert, von einem Tag auf den anderen war alles auf den Kopf gestellt worden. Beim Großen Moment der Vergabe war dem Hause Chasow vollkommen überraschend die Transporthoheit über die Deutsche Oblast zugesprochen worden, ausgerechnet jetzt, als ihr Vater bei den Anführern des Clans in Ungnade gefallen war.

Analyse: Wer diesen Blog aufmerksam verfolgt hat weiß, dass ich keine Freundin von unnötigen Rückblenden gleich am Anfang einer Geschichte bin. Das allein hätte schon für ein rotes Fähnchen gereicht. Aber hier setzen die Autoren dem ganzen die Krönung auf. Nicht nur folgt die Rückblende bereits nach wenigen Absätzen, sie führt auch in die Szene mit dem auslösenden Ereignis (dem Grund, warum eine Geschichte spielt). Das ist aus der Perspektive einer Geschichtenerzählerin wie mir, ein Verbrechen an der Leserin. Die Szene, in der der Vater in Ungnade fällt, die Ehefrau verliert und seine Sachen packen muss, hätte unendlich spannend werden können, wenn … ja, wenn die Autoren sie nicht in ein paar Sätzen zusammengefasst hätten.

Stolperstein #2: Informationen, die die Figur nicht hat

…, dem kleinen Ort, der allein von der Holzproduktion lebte und der vermutlich gar nicht mehr existieren würde, …

Analyse: Im Absatz vor dieser Textstelle erklären die Autoren detailliert, dass Sveta noch nie außerhalb von Berlin war und ganz besonders nicht in einer so entlegenen Ecke des Zarenreiches wie der, zu der sie jetzt fliegen, und dass sie sich auch nie dafür interessiert hat. Daher hat es mich ziemlich verwundert, dass sie bereits wusste, dass der Ort von der Holzproduktion lebt. Woher weiß sie das? Wäre es nicht möglich, dass die Dorfbewohner Bergbau betreiben? Oder eine ganz spezielle Tierart züchten, die der Zar gerne verspeist oder jagt? Vielleicht leben sie auch vom Handel mit seltenen Pelzen. Sveta kann höchstens spekulieren. Die Aussage war aber als absolute Wahrheit (im Rahmen der Geschichte) formuliert, daher der Stolperstein.

Stolperstein #3: Autorenstimme

[dropshadowbox align=“right“ effect=“lifted-both“ width=“200px“ height=““ background_color=“#ffffff“ border_width=“1″ border_color=“#dddddd“]

[/dropshadowbox]

Sergej Maximow hatte knapp siebzehn Jahre zuvor die hohe Gebühr an das Zarenreich entrichtet, da er sich nach Jan einen zweiten Stammhalter erhofft hatte. Dass Sveta ein Mädchen geworden war, schien er ihr seit jeher übel zu nehmen. Die vielen Arbeiten, die sie für ihn erledigen musste, betrachtete er als einen Teil der Entschädigung, die sie für die vielen Rubel aufbringen sollte, die er einst gezahlt hatte, um sie zeugen zu dürfen. Seit ihrer Ankunft war endgültig jede Freude aus Svetas Antlitz gewichen. Tiefe Ringe hatten sich um ihre Augen gegraben, …

Analyse: Das hier ist zweifelsfrei Backstory (also Hintergrundwissen zur Figur). Dummerweise ist es geballt als Infodump eingefügt worden und man hört ganz deutlich den erhobenen Zeigefinder der Autoren: „Und dies, liebe Leser, müsst ihr auch noch wissen!“

Informationen über den Charakter so plump einzufügen hat bei mir gereicht, den Stöpsel zu ziehen. Was wäre es toll gewesen, wenn eben diese Informationen während der Geschichte gezeigt worden wären, und wenn sie der Erzählstimme des Textes treu geblieben wären. Etwas wie: „Pffft. Das kannst du ja eh nicht. Bist ja bloß ein Mädchen.“ aus dem Mund des Bruders und ein: „Eine Haushälterin wär billiger gewesen als die Gebühr für deine Zeugung. Was für eine Verschwendung.“ vom Vater hätten den ganzen Hintergrund beinhaltet, der mir im obigen Absatz so sauer aufgestoßen ist, ohne den Lesefluss zu stören.