Heute sehen wir, dass Infodumps und zu frühe Rückblenden den Lesefluß selbst dann ausbremsen, wenn sie voller interessanter Ideen stecken.
Der Anfang der Geschichte: Ein junger Mann, der sich von seiner Mago-Familie (alles Magier, Eltern eingeschlossen sind es 14 Frauen und 1 Mann) losgesagt hat und zu den Menschen gezogen ist, erhält eine Einladung zur Beerdigung seiner Großmutter, der er folgen muss, wenn er in Frieden weiterleben will. Also stellt er sich seiner furchtbaren Familie in DresdenX, einer Stadt unter der Stadt.
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Analyse: Ich wurde in wenig mehr als einer Viertelstunde von vier langen Infodumps und mehreren Rückblenden ausgebremst, das war mir dann doch zu viel, so dass ich für alle gemeinsam einen Stolperstein vergebe.
Dabei waren die Ideen in den Infodumps eigentlich sehr interessant und gut durchdacht. Leider lasen sie sich wie Charakterstudien, die man zur Vorbereitung eines Romans schreibt. Mir hätte es besser gefallen, wenn die darin enthaltenen Informationen breiter durch den Roman gestreut worden wären.
Den Konflikt zwischen Alexej und seiner Mutter erlebt man besser direkt. Die Umwege seines Lebens in der Menschenwelt wären in einem Gespräch mit der Schwester seines Freundes gut aufgehoben gewesen. So geriet ich immer wieder ins Stocken, wenn die Handlung – schon wieder – durch eine Rückblende oder einen Block an Hintergrundinformationen unterbrochen wurde.
Analyse: Der Roman ist durchgehend in der dritten Person Gegenwart geschrieben. Für mich war es daher sehr schwer, mich richtig in den Lesefluss hineinzufinden. Ich bevorzuge die Vergangenheit, denn das ist in den meisten Romanen die bevorzugte Zeitform. Sie wird beim Lesen, bedingt durch die Lesekultur mit der wir aufwachsen, vom Gehirn ausgeblendet, so dass die Geschichte in den Vordergrund treten kann. Da das aber ein Stilmittel der Autorin ist, ist es kein Stolperstein, nur eine ständige Erinnerung daran, dass die Geschichte aus Wörtern bestehlt. Gestolpert bin ich erst, als plötzlich ein Satz in der mir gewohnten Form stand:
„Aber der Seligsprechung war sie durch Alexejs Geburt beraubt worden.“
Genau hier hätte es „ist … beraubt worden“ heißen müssen. Durch die ungewöhnliche Zeitform bereits irritiert, fiel mir dieses Fehlerchen besonders auf. Wäre es ein Präsens in einem Roman, der ansonsten in der Vergangenheitsform geschrieben ist, wäre ich vermutlich nicht gestolpert.
Merke: Wenn man sich eine ungewöhnliche Zeitform für das Erzählen einer Geschichte aussucht, nimmt man in Kauf, dass LeserInnen schneller über Fehler stolpern, die sonst untergegangen wären.
Alexey reist nach Dresden. Er kommt um Mitternacht an und begibt sich dann zum Zwinger. „Alexej betritt ihn durch das Kronentor …“
Analyse: Eine einfache Suche in Internet ergibt, dass das Außengelände des Zwingers frei zugänglich ist. Der Zwingerhof aber, den man z.B. durch das Kronentor betreten kann, ist des Nachts verschlossen (was ich vor einigen Jahren übrigens am eigenen Leib erfahren musste, als ich mit einer Freundin um 8 Uhr abends dort ankam). Ja, auch in fiktiven Geschichten ist Recherche unumgänglich. Hätte die Autorin dies gewusst, hätte sie das Problem mit einer kurzen Anwendung von Magie aus dem Weg schaffen können.
Analyse: Die Idee einer magischen Welt unter der unseren ist nicht neu. Der Autorin gelingt es aber, die düstere Stimmung in DresdenX so einzufangen, dass man sich bald genauso bedrückt fühlt, wie die Hauptfigur. Mit etwas mehr Konflikt in den einzelnen Szenen und einer besseren Verteilung der Hintergrundinformationen, hätte ich die Geschichte sicherlich sofort zuende gelesen. So hebe ich sie mir für die Sommerferien auf, wenn mir sicherlich wieder einmal der Lesestoff ausgeht.